Ein Reisebüro in Deutschland ist nicht verpflichtet, Kunden vor einer möglichen Insolvenz des…
Ein Reisebüro in Deutschland ist nicht verpflichtet, Kunden vor einer möglichen Insolvenz des Reiseveranstalters zu warnen – außer bei konkreten Hinweisen auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit. Das entschied das Amtsgericht Nordhorn am Donnerstag.
Ein Kunde hatte im März 2024 über ein Reisebüro eine Venedig-Reise gebucht und 1.602 Euro bezahlt. Veranstalter war FTI. Das Reisebüro wies ihn darauf hin, dass es sich nicht um eine Pauschalreise handelte und daher ein Verlustrisiko bestehe. Drei Monate später meldete FTI Insolvenz an. Der Kunde musste kurzfristig ein neues Hotel buchen und forderte 1.970 Euro Schadensersatz von seinem Reisebüro.
Kläger verwies auf VUSR-Mitteilung
Der Kunde führte vor Gericht aus, dass das Reisebüro ihn vor der Buchung über die schlechte finanzielle Lage von FTI hätte informieren müssen. Er verwies auf die niedrige Eigenkapitalquote von nur 2,4 Prozent und Berichte über Zahlungsschwierigkeiten in Fachkreisen. Eine Mitteilung des Verbandes unabhängiger Reisebüros (VUSR) vom Februar 2024 hatte bereits vor einem „vorhandenen Ausfallrisiko“ gewarnt, erläutert das Gericht in seiner Urteilsbegründung.
Es wies die Klage ab, mit der Begründung: Reisebüros müssen Kunden nur dann vor einer drohenden Insolvenz warnen, wenn sie „konkrete“ Kenntnis von Zahlungsunfähigkeit oder systematischen Zahlungsausfällen haben, so die Richter. Allgemeine wirtschaftliche Schwierigkeiten reichten nicht aus.
Zeugin hatte Kenntnis von Zahlungsschwierigkeiten
Wie das Gericht weiter erklärte, habe die Prokuristin des Reisebüros als Zeugin bestätigt, dass FTI bis zur Insolvenz alle Zahlungen pünktlich geleistet habe. Auch der Deutsche Reiseverband, bei dem das Reisebüro Mitglied ist, hatte keine Warnung vor dem Veranstalter ausgesprochen.
Die Zeugin habe zwar angeführt, dass sie durch Presseberichte von den Zahlungsschwierigkeiten von FTI wusste. „Jedoch habe sie es als fraglich eingestuft, inwieweit man sich auf solche Angaben verlassen durfte. Die eigenen Informationen hätte man über das eigene Franchise-Unternehmen sowie über den angeschlossenen Verband bezogen. Aus beiden Quellen hätte man jedoch keine Informationen über eine drohende Insolvenz von FTI erlangt“, heißt es in der Begründung des Gerichts. Eine Warnung seitens des DRV habe es nicht gegeben.
Das Gericht betonte darüber hinaus, dass Reisebüros auch die Interessen ihrer Vertragspartner wahren müssen. Würden sie bereits bei vagen wirtschaftlichen Problemen warnen müssen, könnte dies eine „Garantiehaftung“ bedeuten. Zudem könnten unbegründete Warnungen den Geschäftsbetrieb des Veranstalters schädigen und sogar eine Insolvenz beschleunigen.
Reisebüro klärte über Einzelleistung auf
Dass bei einer Einzelleistung der Kunde das Ausfallrisiko trage, darüber war der Kläger nach Ansicht des Gerichts seitens des Reisebüros informiert worden. Das Gericht stellte klar, dass von Reisebüros keine tiefgreifenden betriebswirtschaftlichen Analysen erwartet werden können. Diese Kenntnisse gehören, so die Richter, nicht zu den branchenspezifischen Fachkenntnissen eines Reisevermittlers.
In dem mit Spannung erwarteten Urteil sieht der DRV seine Rechtsauffassung bestätigt. Wie er in einer Mitteilung erklärt, liegt die Beurteilung der finanziellen Lage und wirtschaftlichen Stabilität von Reiseunternehmen nicht in der Verantwortung von Reisemittlern. Zuständig hierfür seien ausschließlich Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer.
DRV sieht Rechtsauffassung bestätigt
Wie der DRV weiter schreibt, müsse die Verantwortung für die Bewertung und Kommunikation von Insolvenzrisiken bei den zuständigen Institutionen verbleiben. Zum Schutz der Reisebüros lehne man „eine aktive Hinweispflicht auf wirtschaftliche Risiken entschieden ab“.
Der vor dem Amtsgericht Nordhorn verhandelte Fall hatte in den vergangenen Monaten für große Diskussionen über das Thema Beratungspflicht gesorgt. Und die Diskussionen dürften weitergehen. Wie Rechtsanwalt Roosbeh Karimi im Zuge der Jahrestagung des VUSR erläuterte, werde die Rechtslage so lange offenbleiben, bis es eine obergerichtliche Entscheidung gebe.
Kläger kündigt Berufung an
Gegenüber touristik aktuell hatte der Kläger bereits angekündigt, vor die nächsthöhere Instanz ziehen zu wollen. Ein weiteres Verfahren zur selben Thematik wird Mitte Dezember vor dem Amtsgericht Bad Homburg verhandelt.