Als Monika Horn und Monika Speidel Anfang der 1990er-Jahre ihre Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau…
Als Monika Horn und Monika Speidel Anfang der 1990er-Jahre ihre Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau begannen, gab es an ihrer Berufsschule acht bis neun Parallelklassen. Diese Zeiten sind längst vorbei. Konnten vor Corona noch fünf Klassen gebildet werden, ist die Anzahl der Azubis inzwischen so stark zurückgegangen, dass aktuell nur zwei Klassen bestehen, berichten Horn und Speidel, die mittlerweile an der Bethmannschule in Frankfurt am Main unterrichten.
Um dem anhaltenden Nachwuchsmangel entgegenzuwirken – 2024 haben laut der Deutschen Industrie- und Handelskammer gerade einmal 946 Tourismuskaufleute eine Ausbildung begonnen – haben die beiden Lehrerinnen mit den Auszubildenden des zweiten Lehrjahres ein ambitioniertes Projekt ins Leben gerufen.
Crossmediale Kampagne
Insgesamt 38 Auszubildende aus Reisebüros, Geschäftsreisebüros und von Reiseveranstaltern arbeiteten mehrere Monate an der Entwicklung einer crossmedialen Kommunikationskampagne, die den Beruf sichtbarer machen und junge Menschen für eine Ausbildung im Tourismus begeistern soll.
Die Schüler wurden in Projektgruppen aufgeteilt: Zwei Gruppen konzipierten die Podcasts „Azubis on Tour“ (Spotify) und „Die Überflieger“ für den Tik-Tok-Kanal „Tourismustalk“. Drei Teams bereiteten Schulbesuche und Präsentationen an Bildungsstätten vor. Eine Gruppe war für die Social-Media-Betreuung zuständig, eine andere gestaltete einen Flyer rund um das Berufsbild. Zusätzlich wurde die Internetseite Urlaubsausbildung.com erstellt.
Podcasts wurden erstellt
Ein besonderes Augenmerk lag auf der Durchmischung der Teams: In jeder Gruppe arbeiteten Azubis aus unterschiedlichen Bereichen – Reisebüros, Geschäftsreisebüros und Veranstaltern – zusammen. „So konnten wir wertvolle Einblicke in andere Tätigkeitsfelder gewinnen. Das war wirklich bereichernd“, berichtet Angela De Cicco vom Dertour Reisebüro in Gelnhausen.
Die 22-Jährige ist eine von acht Auszubildenden, die im Gespräch mit touristik aktuell über ihre Erfahrungen im Rahmen des Projekts berichteten. Sie gehört auch zum Team des Podcasts „Azubis on Tour“, in dem offen und unterhaltsam über Themen wie Arbeitsalltag, Bewerbungserfahrungen und Inforeisen gesprochen wird – aber auch über persönliche Motivationen für den Berufseinstieg.
Schulbesuche, um unentschlossene Schüler zu erreichen
„Eigentlich wollte ich Psychologie studieren“, erzählt Sara Malz von E-hoi in Bockenheim. „Erst durch einen Freund kam ich auf die Idee, eine Ausbildung im Tourismus zu machen. Von allein wäre ich wohl nicht darauf gekommen.“ Auch Salma Jaatit von Ikarus Tours hatte ursprünglich andere Pläne: Sie wollte Polizistin werden. Und Nina Hildebrandt von Stewa Touristik wurde von einer Lehrerin am Berufsbildungswerk auf den Gedanken gestoßen, sich mit der Ausbildung zur Tourismuskauffrau zu beschäftigen.
Um genau diese Zielgruppe zu erreichen – Schüler, die noch unentschlossen sind – wurden auch Schulbesuche organisiert. „Das Interesse war enorm. Wir konnten viele Kontakte knüpfen, und es gab sogar bereits erste Bewerbungen“, berichtet Salma Jaatit über ihren Besuch im Berufsbildungswerk Hofheim.
Kritik am niedrigen Gehalt
Besonders wirkungsvoll sei dabei gewesen, dass die Auszubildenden selbst über ihren Berufsalltag sprachen – nicht Lehrer, Ausbilder oder
Berufsberater. Darüber hinaus hatten die Azubis der Bethmannschule auch einen Selbsteinschätzungstest erstellt, um auszuloten, welcher touristische Ausbildungsberuf zu den Interessierten passen könnte.
Ein zentrales Anliegen war Authentizität. „Uns ging es nicht darum, den Beruf schönzureden, sondern ihn ehrlich darzustellen“, sagt Chantal Wagner vom LCC Reisebüro Wilhelmpassage in Wiesbaden. „Und in all seinen Facetten“, ergänzt Vanessa Feist vom Geschäftsreisebüro BCD in Frankfurt.
Dass vor allem im Bereich Ausbildung nachgebessert werden muss, darüber waren sich fast alle Anwesenden einig. „Vor allem am Gehalt muss sich etwas ändern, denn der Job ist sehr anspruchsvoll“, sagt Projektleiterin Monika Horn.
Große Resonanz
Sie zieht ein positives Fazit des Projektes. „Unsere Erwartungen wurden bei Weitem übertroffen – die Resonanz war überwältigend.“ So gebe es nicht nur erste Bewerbungen, auch einzelne TikToks seien viral gegangen. Den Azubis sei es gelungen, den Beruf bekannt zu machen und zwar auf außergewöhnliche Art und Weise. Ob das Projekt fortgesetzt wird, wisse sie jedoch noch nicht. „Wir würden uns freuen, wenn wir jedoch Nachahmer an anderen Schulen fänden.“
Das wünschen sich auch Coreen Schmidt von Fit Reisen und Lavinia Lupu vom TUI Reisebüro in Bad Homburg. Sie sagen unisono: „Das Projekt hat großen Spaß gemacht.“