Die Kreuzfahrtbranche könnte auf ihrem grünen Kurs bereits viel weiter sein, meint Gerry…
Die Kreuzfahrtbranche könnte auf ihrem grünen Kurs bereits viel weiter sein, meint Gerry Larsson-Fedde, COO von Hurtigruten. Beim Decarbonizing Shipping Forum in Hamburg nutzte er die Bühne und richtete klare Worte an die Häfen und auch an andere Reedereien.
„Eine emissionsfreie Passagierschifffahrt ist realistisch in Reichweite – aber nur, wenn wir alle im gleichen Tempo daran arbeiten.“ Seine Forderung: Die Häfen müssten den Ausbau der Landstrom-Infrastruktur deutlich beschleunigen. Unsicherheiten und fehlende Verfügbarkeit von alternativen Energien seien für Reedereien ein erhebliches Risiko auf dem Weg zur grünen Schifffahrt, heißt es von Hurtigruten. Für Larsson-Fedde steht fest: Strom ist die einzige „bewährte Technologie“ für emissionsfreies Reisen auf See.
Sea-Zero-Schiff könnte theoretisch schon gebaut werden
„Wir stehen mitten in der Entwicklung unseres Sea-Zero-Schiffes, das vollständig elektrisch fahren wird. Im Prinzip könnten wir morgen mit dem Bau beginnen“, sagte Larsson-Fedde vor internationalen Branchenvertretern. „Aber wir brauchen mindestens fünf Häfen entlang der norwegischen Küste, in denen wir das Schiff laden können. Doch die Hochleistungs-Ladeinfrastruktur ist ein Engpass. Wir haben den Landstromausbau in unserer Flotte bereits 2016 begonnen – doch bis heute gibt es nur drei Häfen, die uns versorgen können. Und in einem davon mussten wir die Verbindung selbst bauen, damit überhaupt etwas passiert.“
Auf die Anmerkung einer Vertreterin der Mittelmeerhäfen, bestimmte Kreuzfahrtunternehmen verzichteten aus Kostengründen auf Landstrom, antwortete Larsson-Fedde eindeutig: „Solche Ausreden hören wir ständig. Aber die Kosten für Landstrom sind kein Hinderungsgrund und keine Entschuldigung, nicht voranzukommen. Wir – und auch andere Unternehmen – investieren viel und gehen große Risiken ein, trotz der Unsicherheiten bei der Infrastruktur an Land und beim regulatorischen Rahmen.“
Allein sein Unternehmen habe über 100 Millionen Euro in die Hybridisierung der Flotte gesteckt. „Und seien wir realistisch: Ich kann unsere Eigner kaum um weitere 300 Millionen Euro für ein emissionsfreies Schiff bitten, wenn ich nicht weiß, ob es überhaupt wird fahren können“, so der Hurtigruten-COO.
Für Hurtigruten liegt die Verantwortung aber nicht nur bei den Häfen. Auch Zulieferer, Mitbewerber und Behörden seien gefordert – ebenso wie das eigene Unternehmen. „Wir alle haben in der Vergangenheit zu viel Energie verbraucht. Unser erstes Ziel ist deshalb: weniger Verbrauch an Bord. In unserer bestehenden Flotte holen wir aus jedem System das Maximum heraus“, so Larsson-Fedde.
Auch Versäumnisse der Kreuzfahrtindustrie
Für die Mitbewerber hatte er eine deutliche Botschaft: „Wenn die Kreuzfahrtbranche genauso viel Energie in emissionsfreie Lösungen gesteckt hätte wie in neue Entertainment-Angebote an Bord, wären wir heute sehr viel weiter.“
Auch die Passagiere des zukünftigen Sea-Zero-Schiffs sollen künftig aktiv zum Energiesparen beitragen: „Das Schiff wird mit großflächigen Solarpaneelen ausgestattet. Im Sommer nutzen wir die Mitternachtssonne, um Strom zu erzeugen – unsere Gäste können damit ihre Handys laden“, erklärte Larsson-Fedde. Mit einer App auf diesen Handys können sie dann selbst den Energieverbrauch ihrer Kabine bewusst steuern.
Wie rasant der Fortschritt während der Entwicklung des Sea Zero Schiffes abläuft, lässt sich derzeit an der Batterietechnologie ablesen: „Als wir mit der Planung begannen, rechneten wir mit 60 Megawattstunden Batteriekapazität. Heute sind wir bei 74 – und bis zum Baustart sind 100 Megawattstunden realistisch.“ Das würde eine Reichweite von 300 Seemeilen beziehungsweise 550 Kilometern ermöglichen – ein Vielfaches heutiger Schiffe mit Batterieantrieben.
Besagter Baustart steht noch nicht fest. „Unsere Postschiffe fahren im Rahmen eines Vertrags mit der norwegischen Regierung, der 2031 erneuert wird“, sagte Larsson-Fedde. Derzeit werde in Oslo beraten, wie die neuen Anforderungen auf der Route aussehen sollen. Erst wenn die Spezifikationen festgelegt sind, könne man ein Schiff auf Basis dieser Vorgaben bestellen – und das erste emissionsfreie Postschiff Norwegens auf den Weg bringen.